Zuchtprojekt "ROOTS"

Autor: Josef Koller, D-92699 Irchenrieth, info@josefkoller.de

Definition des Projekts

Das Zuchtprojekt „ROOTS“ hat zum Ziel der evolutionsbedingten genetischen Vielfalt eines Bienenvolkes Rechnung zu tragen, um
    • auf veränderte Umweltbedingungen (Landwirtschaft) und
    • Krankheiten
mit robusten und stabilen Völkern reagieren zu können.

Erläuterungen zum genetischen Aufbau eines Bienenvolkes

Die weiblichen Nachkommen (Arbeiterinnen, Königinnen) sind mit einem doppelten Chromosomensatz ausgestattet (diploid). Die männlichen Nachkommen mit einem einfachen Chromosomensatz (haploid).
Bei Eiern, die sich zu weiblichen Wesen entwickeln, wird bei der Zellteilung zufallsbedingt nur ein Teil der diploiden Zelle mit dem Samen einer Drohne wieder zu einem diploiden Gebilde verschmolzen.
Eier, die ohne Befruchtung abgelegt werden, haben nur einen einfachen Chromosomensatz und entwickeln sich zu männlichen Wesen.
Um die Variationsbreite männlicherseits (nur ein einfacher Chromosomensatz) in den Nachkommen auszugleichen, ist die Biene auf Mehrfachpaarung angewiesen ( Königinnen werden von bis zu 20 Drohnen begattet).
Zusammenfassend:
Das weibliche Erbgut stabilisiert die künftigen Generationen. Das männliche Erbgut sorgt durch die verschiedenen Drohnen, die an der Begattung beteiligt sind, für eine künftige Variationsbreite im Erbgut.

Im Zusammenhang mit Varooa destructor ist anzumerken, daß sehr wohl standortangepasste Bienenvölker mit diesem Parasiten überleben (T. D. Seeley: Honey bees of the Arnot Forest: a population of feral colonies persisting with Varroa destructor in the northeastern United States (1) , I. Illies, Primorskibienen (2), , I. Fries, e.a., Servival of mite infested (Varroa destructor) honey bee (Apis mellifera) colonies in a Nordic climate (3) . Eine Zusammenfassung zur Varroaforschung ist von Richard Odemer, 2010. Aktuelles aus derVarroaforschung (4) veröffentlicht.

Zudem gibt es Berichte, daß unbehandelte Völker nicht nur Überleben, sondern auch wirtschaftlich genutzt werden können (Keyfuss, Lusby, Lunden, Primorsky Region, Verfasser, ect.).

Bisherige Zuchtpraxis

Züchten bedeutet genetisch gesehen Einengen auf ein gewünschtes Merkmal hin. Dieses Einengen findet in der momentanen Praxis sowohl mütterlicherseits (Königinnen), wie väterlicherseits (z. B. Drohnen von Töchtern eines Volkes auf einer Belegstelle) statt. Die Variationsbreite, die ein Bienenvolk natürlicherweise sucht, muß damit zwangsläufig verloren gehen.

Definition „genetisch stabiles“ Volk

In einem Bienenvolk soll/muß der Genpool in seiner Variabilität möglichst groß gehalten werden, damit genetische Informationen nicht verloren gehen, die für das Überleben eines Bienenvolkes unter unterschiedlichsten Bedingungen notwendig sind. Zudem kann es nicht mehr auf auftretende Krankheiten reagieren, wenn die genetische Basis dafür in der jeweiligen Population nicht mehr vorhanden ist.

Zuchtziel

Eine Biene, die sich bedingt durch ihre große genetische Breite
  • sowohl umweltbedingten Veränderungen
  • als auch gesundheitlichen Herausforderungen anpasst
  • und wirtschaftlich halten läßt.

Die Durchführung

Ausgelesen, also auf das Zuchtziel hin eingeengt, wird im Frühjahr durch den Zeitpunkt der Ablegerbildung. Von jedem Bienenvolk wird nachgezogen, daß zur Kirschblüte aufsatzreif ist und Anfang Mai den ersten Honigraum besiedelt. Es muß also überlebt und sich der Jahreszeit entsprechend entwickelt haben.
Von jedem dieser Völker wird ein Ableger gebildet (eine Brutwabe mit einer ausreichenden Anzahl von Bienen).
Die Bienen ziehen sich selbst eine Königin von der verwendeten Brutwabe. 2 Tage nach der Erstellung dieser Ableger wird die Brutwabe auf Nachschaffungszellen kontrolliert. Nachschaffungszellen, die erkennbar für diesen Zeitraum zu große Maden beinhalten, werden entfernt.
Damit ist gewährleistet, dass nur jüngste Maden weitergepflegt werden können und vollwertige Königinnen heranwachsen.
Diese Ableger rotieren in den jeweiligen Ständen der Imkerei. Ableger von Standort A werden am Standort B aufgestellt. Ableger von Standort B werden am Standort C aufgestellt, usw.
Es können sich durch den gewählten Zeitpunkt der Ablegerbildung auch nur Völker als Drohnenspender an der Fortpflanzung beteiligen, die zu diesem frühen Zeitpunkt reife Drohnen haben.

Schlechter Völker scheiden damit sowohl mütterlicher- wie väterlicherseits aus.

Die Auslese hin zu den gewünschten Merkmalen erfolgt damit ohne menschliche Eingriffe und ohne die genetische Vielfalt zu gefährden (Alle Besten können ihre Erbinformationen in die nächste Generation tragen).
Der vermutlich größere Anteil der männlichen Erbinformationen bei der Begattung der Königinnen in den Ablegern kommt wahrscheinlich durch die Drohnen des jeweiligen Standortes.
Durch die Rotation der Jungvölker wird gewährleistet, daß keine einseitige Auslese betrieben werden kann.

Schlechte Völker scheiden damit mütterlicher- wie väterlicherseits aus der Zucht für das aktuelle Jahr aus!

Die Völker, die nicht nur Fortpflanzung geeignet sind, bleiben vorerst stehen. Es kann vorkommen, daß sie sich im Folgejahr besser entwickeln und wieder zur Zucht zur Verfügung stehen, also stark genug sind, um einen Ableger bilden zu können und stark genug sind, um reife Drohnen zur Begattungszeit der Königinnen in den Ablegern hervorzubringen.
Ist abzusehen, dass solche Nachzügler nicht auf die Beine kommen, werden diese Völker mit kontrolliert angepaarten Königinnen umgeweiselt (seit 2018 mit Königinnen bzw. deren Nachzuchten, die auf das Merkmal „VSH“ getestet wurden).

Es gehen damit nur die Erbinformationen verloren bzw. werden zurückgedrängt, die sich für das Zuchtziel nicht eignen.

Honigertrag

Dem wirtschaftlichen Aspekt (Honigleistung) dieser Zuchtmethode wird dadurch Rechnung getragen, daß die Altvölker nach dem 2. Wirtschaftsjahr mit Nachzuchten von Königinnen mit den besten Honigerträgen umgeweiselt werden (Kunstschwarmbildung).

Varroatoleranz – und/oder -resistenz

Das einzige sichere Kriterium bei der Selektion auf Varroatoleranz und/oder –resistenz ist zur Zeit der Überlebenstest.
Um beim Zuchtprojekt „ROOTS“ auf dieses Merkmal einzuengen wird ein zentraler Standort ohne chemische oder ökologische Behandlungsmittel geführt.
Die überlebenden Völker werden Anfang Mai geteilt. Beide Volksteile bleiben am selben Platz. Der verstellte Volksteil sollte die Königin enthalten. Das Abtriften der Bienen des verstellten Volksteils wird damit reduziert. Evtl. den verstellten Volksteil etwas stärker bilden oder nach dem Verstellen ausgleichen.
Der Volksteil ohne Königin zieht von der vorhandenen Brut eine neue Königin. Zwei Tage nach Bildung werden die Nachschaffungszellen kontrolliert (evtl. werden die beiden Volksteile nochmals ausgeglichen´). Nachschaffungszellen, die erkennbar für diesen Zeitraum zu große Maden beinhalten, werden entfernt.
Ein zentraler Standort für diese Völker wird deshalb gewählt, damit Erbinformationen dieser Überlebensvölker möglichst gleichmäßig über die anderen Standorte streuen.
Erst wenn eine Überlebensrate von etwa 80 % erreicht wird, werden die besten dieser Völker auf einen neuen Standort gebracht und in den Wirtschaftsbetrieb eingegliedert.

Hinweis:
Um größere Anfangsverluste zu vermeiden, sollten die vogeshenen Völker für den Überlebenstest auf ihren Milbenbefall hin kontrolliert werden. Geeignete Methoden sind die „Alkohol-Auswasch-Methode, die Puderzucker-Methode oder die CO2-Methode. Gezählt wird im Sommer. Der phoretische Befall sollte nicht über 2-3% liegen.

Mit dem Wachsen der behandlungsfreien Bienenstände kann die Anzahl der normal geführten Bienenstände reduziert werden.
Mit dieser „Schritt-für-Schritt-Methode“ kann es nie zu existenzbedrohenden Situationen kommen.
Die genannte Überlebensrate von 80% ist willkürlich gewählt. Bedenken sollte man bei der Überlebensrate, daß in der normalen evolutionsbedingten Entwicklungsgeschichte das Überleben einer Art schon gewährleistet, wenn die Überlebensrate über der Sterberate liegt. Erst wenn die Überlebensrate permanent unter die Sterberate sinkt, wird diese Art aussterben.
Mit dieser Art der Auslese wird zwangsläufig eine Weitergabe von Genen, die nicht zum Überleben geeignet sind, verhindert.
Bei Bienen in menschlicher Obhut ist dieser Schutzmechanismus ausgeschaltet. Angestrebt und meistens auch erreicht, wird eine Überlebensrate von oder annähernd 100 %. Zwangsläufig ist damit keine Überlebensselektion möglich.
Ein behandlungsfreier Bienenstand wäre deshalb schon dann ein Erfolg, wenn die Überlebensrate über der Sterberate liegt und die Überlebenden vital und robust genug sind, sich zu vermehren.

Darstellung verschiedener Zuchtmodelle

Als Ausgangsituation werden in diesem Vergleichsmodell 10 Völker an einem Standort angenommen.

Natürliche Selektion

10 Völker stehen für die Selektion zur Verfügung. Davon entwickeln sich 8 Völker in die Vermehrungs- (Schwarm)phase. 8 Völker sind damit potenzielle Zuchtvölker. 2 Völker sind zu schwach, um einen Schwarm abzugeben oder als Drohnenlieferanten zur Verfügung zu stehen. Von den 8 Schwärmen schaffen es zwei Stück nicht. Entweder, sie fanden keinen geeignete Behausung oder die junge Königin ging verloren, etc. Zur Einwinterung hat sich der Bestand auf 16 Völker erhöht. Die Überwinterung sorgt für die nächste Auslese. Den Winter schaffen 4 weitere Völker nicht. Zum nächsten Frühlingsbeginn erhöhte sich der Bestand also um 2 Völker. Für die nächste Periode stehen dann 12 Völker zur Verfügung. Durch diese strenge Auslese überleben nur die Besten. (Survival of the fittest, Ch. Darwin) Von 18 Völker schafften es 12 in den nächsten Frühling. Verlustrate: 40%. Der Genpool des Standortes bleibt überwiegend in seiner Gesamtheit erhalten. Mit diesem "Rezept" überleben Bienen seit mehr als 30 Mio. Jahren auch mit den oft aufgetretenen dramatischen Umweltveränderungen in dieser Zeitspanne.

Gängige imkerliche Selektion

Auch hier stehen wieder 10 Völker zur Verfügung. Es aber nur von den zwei besten Völker Königinnen nachgezogen und diese Königinnen mit Drohnen von Töchtern auch eines besten Drohnenmuttervolkes verpaart (Belegstelle, künstliche Besamung). Dank der Hilfe des Imkers entwickeln sich 10 neue Völker. Eingewintert werden somit 20 Völker. 2 Völker schaffen trotz der Hilfe des Imkers den Winter nicht. Zum nächsten Frühlingsbeginn erhöhte sich der Bestand also um 8 Völker. Für die nächste Periode stehen dann 18 Völker zur Verfügung. Von 20 Völkern schafften es 18 in den nächsten Frühling. Verlustrate: 10%. Alles Bestens? Nein! Alleine an der Zunahme der Farbpunkte rot, grün und blau kann man erkennen, dass diese schon nach einer Generation überhand nehmen. Alle anderen Farbpunkte werden früher oder später verschwinden und damit auch wertvolles Genmaterial, um ggf. auf veränderte Umweltveränderungen reagieren zu können. Klassisches Beispiel: Varroa: Wenn im Genpool keine natürlichen Abwehrmechanismen mehr vorhanden sind, werden diese Bienen immer auf die Hilfe des Imkers (Behandlungsmittel) angewiesen sein.

Selektion nach ROOTS

ROOTS versucht einen Mittelweg zwischen den beiden genannten Selektionsvarianten aufzuzeigen. Als Selektionsbasis dienen wieder 10 Völker. Natürlicherweise scheiden 2 Völker davon als Zuchtvölker aus. Der Imker schließt aber noch weitere 2 Völker für die Vermehrung aus, weil sie seinen Ansprüchen nicht genügen. Zur Einwinterung hat sich somit der Bestand um 6 Völker auf 16 Völker erhöht. Zudem wird den Bienen im Sommer dadurch geholfen, dass absehbar "schlechte" Völker umgeweiselt werden. Ansonsten erfolgt keine weitere Hilfestellung (Behandlung). Dadurch wird der Selektionsdruck nochmals erhöht und es schafften 3 Völker die Überwinterung nicht. Zum nächsten Frühlingsbeginn erhöhte sich der Bestand also um 3 Völker. Für die nächste Periode stehen dann 13 Völker zur Verfügung. Von 20 Völkern schafften es 13 in den nächsten Frühling. Verlustrate: 35%. Im Prinzip hilft der Imker nur etwas nach, um den natürlichen Selektionsablauf zu beschleunigen. Der große Genpool des Standortes bleibt trotzdem erhalten. Die Bienen können auch auf evtl. künftig auftretende Veränderungen/Anforderungen noch reagieren.

Zusammenfassung

Alleine das Nachziehen von überlebenden Völkern führte z. B. bei den Untersuchungen zur Auswirkung der "kleinen" Zellen binnen drei Generationen zu einer Anpassung hin zu "Überleben ohne Behandlung".(5)

In 2003 überlebten von 196 eingewinterten Völkern 50. (25%).

In 2004 überlebten von 269 eingewinterten Völkern 135. (50%).

In 2005 überlebten von 211 eingewinterten Völkern 179. (85%).

Alleine in drei Generationen stieg die Überlebensrate von 25% auf 85%.

Projekt ROOT als Grafik

Zusammenfassung

Der rote Kreis soll ein Gebiet mit den vorhandenen Standorten darstellen. Die kleineren Kreise jeweils das "Einzugsgebiet" der jeweiligen Standorte. Von jedem geeigneten Volk eines Standortes wird im zeitigen Frühjahr ein Ableder gebildet. Die Ableger werden jeweils zum nächsten Standort gebracht. Einerseits, um Verflug zu verhindern, andererseits um der von den Bienen gewünschten genetischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der "blaue" Kreis im Zentrum der Darstellung bildet den behandlungsfreien Standort ab. Mit Zunahme der behandlungsfreien Stände nimmt die Anzahl der behandelten Stände ab. Es ist davon auszugehen, dass die Königinnen der gebildeten Ableger hauptsächlich von Drohnen des jeweiligen Standes begattet werden. Mit der Plazierung des behandlungsfreien Standortes im Zentrum soll erreicht werden, dass diese Drohnen auch schon bei der Begattung an den behandelten Ständen beteiligt sind.

Literaturhinweise

Seeley, T.D. 2007. Honey bees of the Arnot Forest: a population of feral colonies persisting with Varroa destructor in the northeastern United States. Apidologie 38:19-29.

Ingrid Illies 2005. Jahresbericht des Bieneninstituts Kirchhain 2005, Seite 5-6

Ingmar Ingmar, Anton Imdorf, Peter Rosenkranz 2006. Servival of mite infested (Varroa destructor) honey bee (Apis mellifera) colonies in a Nordic climate, Apidologie 37

Richard Odemer, 2010. Aktuelles aus der Varroaforschung, https://bienenkunde.uni-hohenheim.de/uploads/media/odemer_kirchheim_2010.pdf

Praagh, J.P. van;(2004); Paarungsbiologie - viele Drohnen. Schweiz.Bienen-Zeitung 127(8):23-24. Praagh J.P. v. (2009) Bienenkönigin - Mutter und Vater zugleich! Der Buckfastimker 3/2009: 26-28.

Praagh J.P. v.(2010).Einschränkungen durch Zucht. Deutsches Bienenjournal. 1/2010, 14-15.

Singer H. (2017). Breeding Carnolian bees Apis mellifera carnica (Pollmann 1879) (Hymenoptera: Apidae) on different comb cell sizes and analysing the effect of the different cell sizes on Varroa Varroa destructor(Anderson & Trueman 2000) (Mesostigmata:Varroidae) infestation rates.

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